Das Mindset eines guten Tripsitters

18. September 2020|Allgemein, Mindset, Psychedelika, Safer Use|
Tripsitter Tripsitting Guide Reisender Anleitung Verhalten Mindset Set und Setting Jascha Renner

Tripsitter Anleitung – Das Mindset eines guten Tripsitters



Stell dir vor, ein Freund fragt dich, ob du ihn während seiner ersten psychedelischen Erfahrung tripsitten würdest. Du denkst: “Tripsitten… also auf dich aufpassen? Wie beim Babysitten? Das kriege ich hin.”

An einem sonnigen Tag spaziert ihr also in den Wald und dein Freund amüsiert sich über die leuchtenden Farben und pulsierenden Formen. Alles scheint entspannt zu laufen – bis die Stimmung plötzlich kippt. Der Himmel verdunkelt sich und ein kalter Wind zieht auf.

Die Augen deines Freundes sind geweitet, er atmet schnell. Auf deine Frage, ob alles gut sei, beginnt er zu murmeln und schaut hektisch umher. In der Ferne siehst du ein Paar mit Hund auf euch zukommen und als dies auch dein Freund bemerkt, kommen ihm die Tränen. Was tust du?

Tripsitting Set Setting

Die Redewendung “Es gibt kein Richtig und kein Falsch” trifft beim Thema Tripsitting nicht zu. “Viele Wege führen nach Rom” allerdings schon. Es gibt durchaus Fehler, die du im Umgang mit Menschen in alternativen Bewusstseinszuständen vermeiden solltest. Welche das sein können und was dich abgesehen davon zu einem kompetenten Tripsitter macht, erfährst du in diesem Guide.

Begriffserläuterung

In dieser Anleitung fürs Tripsitting werden wir dir näher bringen, was ein Tripsitter ist und wie du ein guter Tripstter sein kannst.

Ein Tripsitter ist jemand, der eine Person – ich bezeichne diese im Folgenden als den Reisenden – während einer Drogenerfahrung begleitet. Das Tripsitting zählt zu den Methoden des Safer Use, also einem verantwortungsvollerem Umgang mit psychoaktiven Substanzen.

Tripsitter werde in verschiedenen Kontexten eingesetzt: Während professionellen Retreats oder psychedelischen Zeremonien, auf Festivals und Partys, um Notfälle durch Mischkonsum etc. zu betreuen oder zu Hause, unter Freunden, die privat Psychedelika ausprobieren wollen. Zu allen gängigen psychedelischen Substanzen findest du ausführliche Beiträge auf unserer Website.

Während einer psychedelischen Reise kann vieles passieren. Es ist ähnlich wie beim Träumen. Nichts in diesem Guide ist darauf ausgerichtet, illegales Verhalten zu fördern. Wir möchten lediglich interessierten Menschen eine Orientierungsgrundlage für ein geeignetes Mindset geben, damit negative psychedelische Erfahrungen, die durch Fehler des Tripsitters verursacht wurden, weitestgehend umgangen werden können.

Was tut ein Tripsitter?

Beim Tripsitting geht es weniger ums “Tun”, sondern vielmehr ums “Ausstrahlen”. Warum? Menschen, die unter dem Einfluss psychedelischer Substanzen stehen, sind extrem sensibel für Vibes; also z.B. für die Stimmung im Raum, zwischen euch beiden, oder für ihre oder deine (vermeintliche) Gefühlslage.

Strahlst du Ruhe und Sicherheit aus, kreierst du einen Save Space; einen Schutzraum, in dem alle Emotionen und Expressionen der trippenden Person willkommen und erwünscht sind. Es entsteht eine Wohlfühlatmosphäre, in der der Reisende so leicht wie möglich loslassen kann. Die Tiefe einer psychedelischen Erfahrung wird maßgeblich dadurch bestimmt.

Du kannst jemanden als Tripsitter also durchaus helfen, indem du passiv statt aktiv bist. Das wird als Space Holding bezeichnet. Oder anders ausgedrückt: Du bist einfach uneingeschränkt da für den Reisenden. Du gibst ihm den Raum und die Zeit, seiner eigenen Intuition und Weisheit zu vertrauen. Du bist verfügbar, wenn du gebraucht wirst.

Tripsitting Set Setting

Ein Tripsitter ermutigt den Reisenden, loszulassen, auf die Erfahrung zu vertrauen und offen für den Verlauf zu sein. Der Reisende soll seine eigenen Entscheidungen treffen dürfen, wenn nötig mit der Unterstützung des Tripsitters. Um noch genauer zu werden, was Space Holding bedeutet, besprechen wir im Folgenden ein paar klassische Beispiel-Situationen, die während psychedelischen Erfahrungen auftreten können und wie du als Tripsitter angemessen damit umgehen kannst.

Sicherheit solltest du jedoch nicht allein ausstrahlen. Es zählt auch zu deinen Aufgaben, aktiv für Sicherheit zu sorgen, indem du z.B. mögliche Unfälle verhinderst. Psychedelika lassen uns Abstände und Entfernungen schlechter einschätzen. Wer auf LSD also auf einem rutschigen alten Baumstamm über einen reißenden Fluss mit spitzen Steinen darin klettern möchte, sollte von seinem Tripsitter lieber sanft davon abgehalten werden.

Doch wann begleiten, wann leiten? Theoretisch lässt sich die Frage leicht beantworten: Begleiten immer; leiten wenn Gefahr besteht, explizit darum gebeten wird, offensichtliche Ratlosigkeit beim Reisenden herrscht oder es dir deine Tripsitter-Intuition eindeutig sagt. In der Praxis ist es natürlich weitaus schwieriger, die richtigen Momente zum In-Ruhe-Lassen bzw. Beruhigen abzupassen. Doch eben darin liegt die Kunst des Tripsittings.

Was tut ein Tripsitter nicht?

 Um zu verstehen, was ein Tripsitter nun genau tut, ist es unserer Meinung nach auch wichtig zu wissen, was ein Tripsitter nicht tut. Die oberste Regel: Er verurteilt nichts. Trippende Menschen machen manchmal seltsame Dinge; diese sind erlaubt, solange sie ungefährlich sind.

Außerdem sind Reisende sehr feinfühlig. Durch den Einsatz psychedelischer Substanzen werden unsere Abwehrmechanismen herabgesetzt. Diese Kombination macht gerade unerfahrene Psychonauten, die diesen Zustand noch nicht so gut kennen, extrem verletzbar. Ein argwöhnischer Seitenblick, höhnischer Kommentar oder Witz kann negative Gedankenspiralen auslösen, aus denen der Reisende nur schwer wieder herausfindet.

Versteh’ mich nicht falsch; Negativität ist selbstverständlich auch erlaubt und oftmals ist es sehr wichtig für den Reisenden, durch diese dunklen Phasen zu gehen. Doch sie sollten nicht von dir als Tripsitter ausgelöst werden. Deine Aufgabe ist es, ihm während der (negativen) Erfahrung beizustehen – das ist alles.

Übrigens: Humor ist nicht verboten. Aber er sollte nicht auf Kosten des Reisenden gehen. Unter dem Einfluss psychedelischer Substanzen ist es ziemlich schwierig, Ironie zu erkennen bzw. richtig einzuschätzen. Was wahr ist und was nicht, ist ohnehin eine Frage, die sich fast jeder Reisende während einer psychedelischen Erfahrung irgendwann einmal stellt. Deine Aussagen sollten deshalb klar und unmissverständlich getroffen werden.

Next: Er bremst keine Prozesse aus. Dafür ist ein gewisses Feingefühl für Sprache nötig. Wenn der Reisende während der gesamten Erfahrung lautstark weint und schluchzt – lass ihn. Sätze wie “Ist doch jetzt nicht so schlimm!” sind verboten. Auch wenn du sie gut meinst. Negative Gefühle verschwinden nicht auf lange Sicht, wenn wir sie verdrängen oder von anderen getröstet werden. Während einer psychedelischen Erfahrung tief in die Traurigkeit einzutauchen kann unglaublich heilsam sein.

“Das ist okay.” bedeutet auf einer rationalen Ebene vielleicht etwas ganz ähnliches, verändert für den Reisenden jedoch alles, da kein Verharmlosen bzw. keine äußere Einschätzung des inneren Konflikts vom Reisenden mitspielt, sondern lediglich Besänftigung deinerseits. Verstehst du?

So ähnlich es auch mit Ratschlägen und Lösungsangeboten. Wenn wir Menschen wirklich in ihrem eigenen Wachstum, ihrer Transformation unterstützen wollen, können wir ihnen nicht ihre eigene Macht nehmen, indem wir versuchen ungefragt (!) ihre Probleme zu lösen. Lass dem Reisenden die Zeit, selbst auf eine Antwort zu kommen, bevor du die Suche danach abkürzst.

Wir müssen in der Rolle eines Tripsitters darauf vorbereitet sein, selbst zur Seite zu treten, damit Reisende ihre eigenen Entscheidungen treffen können. Unterstützung und sanfte Führung darf angeboten werden, wenn du sie für nötig erachtest. Aber widerstehe dem Bedürfnis, den Reisenden zu retten oder in Ordnung zu bringen, ohne dass dieser dich darum bittet.

Dies ist tatsächlich eine der größten Herausforderungen beim Tripsitting; weniger zu tun, zu sagen, zu helfen, als einfach da zu sein. Was uns zum dritten Punkt führt: Deine eigenen Bedürfnisse sind in dieser besonderen Situation nebensächlich.

Wenn du z.B. mit dem Reisenden sprechen möchtest, beobachte dich vorher genau selbst. Möchtest du dich einfach unterhalten? Bist du neugierig, was in ihm gerade vorgeht? Die Frage “Wie geht es dir?” ist nicht prinzipiell falsch. Aber die Situation, in der du sie stellst ist entscheidend.

Liegt der Reisende ruhig auf dem Boden und lächelt mit geschlossenen Augen – lass ihn. Deine Frage würde ihn sicher herausreißen aus diesem schönen Moment und es ist ja offensichtlich, dass es der Person gerade gut geht.

Ein tiefgründiges Gespräch während einer psychedelischen Erfahrung kann sowohl für den Reisenden als auch für den Tripsitter etwas wundervolles und verbindendes sein, doch dieses sollte nicht von dir als Tripsitter “aus dem Nichts heraus” bzw. auf Grund deines eigenen Bedürfnisses begonnen werden.

Der nächste Punkt bezieht sich auf deine eigenen Gefühle. Ein guter Tripsitter verliert nicht die Kontrolle über sich selbst. Handle die ganze Zeit ruhig, überlegt und ohne unnötige Selbstzweifel – vor allem in Extremsituationen.

Wenn die Person, die du begleitest, eine schwierige Phase durchlebt, mit der du selbst als Tripsitter überfordert bist, wird der Reisende auch deine Unsicherheit, Angst, oder dein Unwohlsein in dieser Situation spüren, wenn du sie zeigst. Deine Gefühle werden sich auf ihn übertragen und die Erfahrung umso negativer beeinflussen. Der Raum, den du halten sollst, fällt dann in sich zusammen. Sage dir beim Tripsitting an dieser Stelle selbst: Das geht vorbei. Alles gut. Ich halte weiter den Raum für dein Reisenden. Es geht nur um ihn.

Stell dir einmal vor, du hast ein Kind und bist mit ihm auf dem Spielplatz. Beim Wettrennen mit einem anderen Kind fällt deines hin und schlägt sich heftig das Knie auf. Wenn du jetzt als Elternteil in Panik gerätst, “Oh nein!!” schreist und hilflos zu einer anderen Mutter rennst, um sie nach Taschentüchern oder ähnlichem zu fragen, verschlimmerst du die Gesamtsituation dramatisch. Das Kind wird brüllen wie am Spieß und mehr Angst als Schmerzen haben.

So ähnlich ist es auch bei herausfordernden psychedelischen Erfahrungen. Die meisten “Bad Trips” sind psychischer Natur, nicht physischer. Es kann sich für den Reisenden in einer Paniksituation zwar so anfühlen, als ersticke er, oder bei einem Ego Death so, als sterbe er sogar, doch dies sind oft Abwehrmechanismen des Egos bzw. unseres Verstandes, welcher uns unterbewusst vom Loslassen abhält und damit einen teilweise körperlich spürbaren Kampf beginnt.


Als Tripsitter ist es in solchen Momenten deine Aufgabe, den Reisenden sanft zu beruhigen und die Situation mit klarem Verstand zu bewerten: Ist es eine anstrengende, aber wichtige Phase der Erfahrung, die der Reisende mit deiner Unterstützung überstehen wird, oder ist tatsächlich medizinische Hilfe nötig?

Habe als Tripsitter keine Angst davor, eine Entscheidung zu treffen und Verantwortung für die Person, die du zu übernehmen – nach Möglichkeit in Absprache mit dieser. Wenn wirklich ein Krankenwagen gerufen werden muss, dann tu es. Und gerade jetzt: Bleibe ruhig, stehe dem Reisenden bei und bereite ihn auf die bevorstehende Situation vor. Ärzte unterliegen der Schweigepflicht. Die Angst vor rechtlichen Konsequenzen sollte euch nicht davon abhalten, eine Entscheidung zu treffen, von der möglicherweise ein Leben abhängt.

Und zum Abschluss: Tripsitting ist nicht wie Babysitting. Auch wenn dies berechtigterweise immer wieder assoziiert wird, sind es doch grundlegend verschiedene Dinge. Bedeutet: Als Tripsitter musst du den Reisenden nicht permanent beobachten wie ein Baby, das irgendwas kaputt machen könnte und keine Entscheidungen treffen kann. Das fühlt sich für den Reisenden nicht angenehm an. Er soll sich frei entfalten können und du sollst verfügbar und präsent sein.

Wenn ihr zu Hause bleibt; nimm dir ein Buch mit, beschäftige dich unabhängig und leise, aber bleibe aufmerksam, wann der Reisende z.B. zuletzt ein Glas Wasser getrunken hat. Musik über Kopfhörer, texten o.ä. am Handy oder andere ablenkende Tätigkeiten sind natürlich keine Option für dich als Tripsitter.

Wer braucht einen Tripsitter?

 Wer einen Tripsitter braucht, hängt von verschiedenen Faktoren ab; Art des Psychedelikums, Dosierung, Set und Setting, Erfahrung, emotionale Lage,… Jemand, der noch nie Psychedelika genommen hat und jetzt aus Neugier oder Interesse eine Micro- bis Mini-Dosierung LSD (bis 50mcg) alleine konsumieren möchte und weder Angst noch Unwohlsein verspürt, braucht sicherlich nicht zwangsläufig einen Tripsitter.

Doch es kann durchaus sein, dass jemand mit etwas mehr Erfahrung und dem gleichen Vorhaben ein hohes Maß an Aufregung, Respekt und Furcht vor dem verspürt, was passieren kann. So jemand würde sich mit der Begleitung einer Vertrauensperson sicherlich besser fallen lassen können.

Im Umgang mit psychedelischen Substanzen zählt das Bedürfnis jedes Einzelnen. Wenn eine Gruppe von fünf Freunden zum ersten Mal Pilze im Wald ausprobieren möchte und nur einer davon das Bedürfnis nach einem Tripsitter zur Unterstützung verspürt, dann nehmt einen mit, dem alle Beteiligten vertrauen.

Wer Psychedelika bewusst für die eigene Persönlichkeitsentwicklung einsetzen möchte, kann während der Erfahrung jemandem zum Sprechen vielleicht gut gebrauchen. Gerade wenn es darum geht, ein bestimmtes Thema zu bearbeiten oder eine komplexe Lebensfrage zu beantworten. Doch auch hier ist es einfach Typsache, ob man sich genau in dieser Situation lieber alleine in den eigenen vier Wänden mit Tagebuch und Stift hinsetzt um tief in seinen Geist zu reisen.

Je weniger Erfahrung man mit einer Substanz hat und je unvorhersehbarer der Verlauf dieser ist, desto mehr empfehlen wir einen Tripsitter. Von unbegleiteten 5MeO-DMT oder Ayahuasca-Zeremonien raten wir ab, vor allem wenn diese zum ersten Mal ausprobiert werden sollen.

Sagen wir, jemand hat schon viel Erfahrung mit DMT gesammelt und möchte jetzt einen Breakthrough erleben. Wir würden einen Tripsitter empfehlen. Psychedelische Substanzen verändern manchmal komplett ihren Charakter, je höher sie dosiert werden – Stichwort auch Ketamin.

Du siehst, so einfach ist diese Entscheidung nicht. Als Faustregel lässt sich festhalten: Es erhöht immer die Sicherheit der Erfahrung, einen guten Tripsitter zur Unterstützung dabei zu haben. Wer schwankt, ob er einen braucht oder nicht, sollte lieber jemanden fragen.

Checkliste – Bist du geeignet?

 Je mehr Aussagen auf dich zutreffen, desto besser. Die einzelnen Punkte sind nicht nach Wichtigkeit sortiert, sondern stellen lediglich eine Auflistung von Eigenschaften und Merkmalen dar, die wir beim Tripsitting als fundamental erachten.

  • Ich bin ein bewusster Mensch, voller Mitgefühl und Empathie, der sich gerne in andere Menschen hineinversetzt.

  • Ich bin emotional ausgeglichen und stabil.

  • Andere sagen über mich, dass ich Ruhe und Gelassenheit ausstrahle.

  • Ich kenne die Safer Use Regeln im Umgang mit psychedelischen Substanzen und weiß Bescheid über die Effekte, Dosierung, Wirkdauer und Risiken dieser.

  • Ich habe selbst bereits einige Erfahrungen mit Psychedelika und alternativen Bewusstseinszuständen gemacht.

  • Meine eigenen Probleme sind in Bearbeitung und haben nichts mit dem Reisenden zu tun.

  • Ich weiß, was Space Holding bedeutet.

  • Zwischen dem Reisenden und mir besteht ein Vertrauensverhältnis.

  • Ich habe keine Angst, Verantwortung für andere zu übernehmen, wenn es sein muss.

  • Mir ist bewusst, dass sich während psychedelischen Erfahrungen innerhalb kürzester Zeit alles ändern kann und bin bereit, allen Stimmungswechseln mit Geduld zu begegnen.

  • Ich bin grundlegend mit den Erste Hilfe Maßnahmen vertraut und scheue mich nicht davor, externe Unterstützung dazuzuholen, wenn meine Fähigkeiten nicht ausreichen.

  • Tripsitting ist ein Commitment. Ich lasse den Reisenden unter keinen Umständen allein.

  • Ich vertraue auf meine Intuition und fühle mich bereit, für eine andere Person die Rolle des Tripsitters zu übernehmen.

Trip-Vorbereitung

 Damit der Tag der Erfahrung möglichst reibungslos abläuft, bedarf es im Vorfeld etwas Planung. Stellt zunächst sicher, dass zwischen dir als Tripsitter und dem Reisenden ein Vertrauensverhältnis besteht oder aufgebaut wird. Wenn ihr euch noch nicht kennt, nehmt euch soviel Zeit wie ihr braucht um euch kennenzulernen. Der Reisende sollte vor dir weinen können und du solltest es aushalten können, diesen so zu sehen bzw. in der Lage sein, ihn zu beruhigen, wenn der Wunsch danach signalisiert wird.

Scheue dich nicht davor, euer Treffen abzusagen, wenn du das Gefühl hast, dass du der psychischen Verfassung und damit den potenziellen Schwierigkeiten des Reisenden während der Erfahrung nicht gewachsen sein könntest. Selbst wenn du am Tag der Erfahrung das Gefühl hast, dass du selbst oder der Reisende nicht gut genug vorbereitet ist oder ähnliches, verschiebe besser den Termin, als eine negative und überfordernde Erfahrung zu riskieren.

Gerade unter Freunden oder bei Paaren ist es wichtig, dass möglichst keine unausgesprochenen akuten Konflikte zwischen euch stehen. Diese beeinflussen den Vibe der Erfahrung und können für alle Beteiligten sehr anstrengend werden. Ein reiner Tisch ist die bessere Ausgangssituation.

Sprecht gemeinsam über die Intention des Reisenden. Warum möchte er eine psychedelische Erfahrung machen? Diese kann z.B. als Satz oder als Frage herausgearbeitet werden. Geht es um Traumabewältigung, Persönlichkeitsentwicklung, Spaß oder Neugier auf die Natur? Sich vorab über Erwartungen, Ängste, den jeweiligen bisherigen Erfahrungsstand mit Psychedelika und Tripsitting allgemein auszutauschen ist ebenfalls ratsam, um während der Erfahrung aufeinander eingestimmt zu bleiben.

Das Ausmaß der Vorbereitung hängt zudem von der Substanz ab, die konsumiert werden soll. Für eine Ayahuasca-Session sind üblicherweise mehr Faktoren zu beachten als bei LSD, Magic Mushrooms oder Meskalin. Zu allen gängigen psychedelischen Substanzen findest du auf setandsetting.de nützliche Hinweise. Schau’ gerne auch auf unserem Blog vorbei.

Generell solltest du als Tripsitter über die geplante Dosierung mit dem Reisenden sprechen. Je höher diese, desto komplexer kann auch die Herausforderung für dich als Tripsitter werden. Wenn du noch nie jemanden während einer psychedelischen Erfahrung begleitet hast, fangt nicht mit einer heroischen Dosierung an. Ihr solltet euch also beide mit der Auswahl wohl fühlen.

Das Setting nimmt einen maßgeblichen Einfluss auf den Verlauf der Erfahrung. Zu Hause? In der Natur? Nachts? Tagsüber? Zu zweit? In einer Gruppe? Überlegt euch zusammen einen sicheren Ort, der zur Substanz und zur Intention passt. Wählt einen Ort, an dem sich der Reisende zurückziehen und gemütlich hinlegen kann, wo es warm, trocken, ruhig und unwahrscheinlich ist, dass z.B. andere Menschen euch stören.

Plant außerdem euer Equipment, als wer was an Verpflegung, Musik, Nozizblock, Räucherstäbchen etc. mitbringt. Du als Tripsitter solltest auf jeden Fall die Person mit dem Handy und gegebenenfalls mit der Powerbank sein. Ein Tipp zum Abschluss: Persönliche Gegenstände, Fotos oder ein Spiegel können als kleine Trigger für das Bearbeiten der Intention dienen und die gesamte Erfahrung interessanter gestalten. Ob der Reisende diese irgendwann im Verlauf verwenden möchte, bleibt ihm allerdings selbst überlassen.

Und zuletzt: Klärt eure Rollenverteilung. Was versteht ihr beide unter Tripsitting? Eure Definitionen abzusprechen hilft, unerfüllte Erwartungen schon vor der eigentlichen Erfahrung aus dem Weg zu räumen. Teile dem Reisenden mit, wie du dich verhalten wirst. Hole dir sein Einverständnis, sich auf dich zu verlassen und auf dich zu hören, wenn ihr in eine kritische Situation geraten solltet. Deine wichtigste Tripsitter-Aufgabe ist es, für Sicherheit zu sorgen. Es muss dem Reisenden klar sein, dass keine im Vorfeld besprochene Regel gebrochen werden darf. Wegrennen, einschließen, nicht abgesprochener Mischkonsum (Weed…) oder das mutwillige Herausfordern einer Gefahrensituation sind nicht okay.

Weiterhin sollte der Reisende wissen, dass er dir als Tripsitter alles mitteilen darf, was ihn beschäftigt, wenn ihm der Sinn danach steht. Der Reisende kann jederzeit auf deine Unterstützung zählen, ohne dass es ihm unangenehm sein muss.

Beispiel-Situationen

 Um dir eine Orientierung zu geben, wie du als Tripsitter angemessen verhalten kannst, listen wir nun einige typische Situationsbeispiele auf, die während einer psychedelischen Erfahrung auftreten können. Selbstverständlich sind unsere empfohlenen Reaktionsweisen nicht die einzig richtigen. Es geht uns in diesem Kapitel darum, dir ein Mindset zu vermitteln, wie du dich unserer Meinung nach als Tripsitter klug verhalten kannst.

Der Reisende fängt stark an nach Luft zu schnappen. Er hat Angst zu ersticken und äußert diese auch.
Hier kann eine Kombination aus Berührung am Arm oder an der Schulter und gemeinsamem Atmen helfen. “Du bist nicht allein, ich bin da.” Atme selbst tief und ruhig ein und aus, sodass der Reisende deinen Atem hören kann und sich an deinen Rhythmus anpassen kann. Ermutige den Reisenden, eine Hand auf seinen Bauch oder Brustkorb zu legen, damit er die Bewegung spürt. “Dein Körper weiß, wie er atmen kann. Deine Atmung passiert ganz automatisch.” Finde heraus, in welcher Position sich der Reisende gerade am wohlsten fühlt. Eine Wand im Rücken oder etwas zum Anlehnen gibt Sicherheit.
Der Reisende hat paranoide Gedanken, z.B. “Alle sind gegen mich!” oder “Hier läuft eine Verschwörung…”
Als Tripsitter kannst du hier erstmal nichts tun. Lass den Reisenden durch seinen Prozess gehen. Er hat Gedanken, das ist normal, auch wenn sie negativ sind. Solange du nicht darum gebeten wirst, aktiv zu werden, bleibe lediglich weiter präsent im Raum.
Der Reisende gerät in eine Paniksituation und schreit z.B.: “Meine Mutter stirbt!!” oder “Ich werde verrückt! Ich verliere den Verstand!”
Beruhige ihn mit sanfter Stimme und Rationalität. “Deine Mutter stirbt nicht.” bzw. “Du wirst nicht verrückt.” Diese Gedanken können sich durch Psychedelika extrem echt und wahr anfühlen, doch das sind sie nicht. Dinge, die wir sonst als selbstverständlich sehen, wie Zeit, unsere Identität, alle anderen Aspekte der Realität, scheinen wie vergessen.

Erinnere den Reisenden daran, dass der vorübergehende Zustand, in dem er sich gerade befindet, nicht der Normalzustand ist. Hole ihn wieder ein Stück ins die Realität zurück. “Es ist alles gut.” Verfalle selbst nicht in Panik sondern bleibe ruhig und verständnisvoll. Deine Ruhe wird sich auf den Reisenden übertragen.

Nach einer anstrengenden Situation bietet sich ein Ortswechsel an. Geht barfuß raus, trinkt einen Tee zusammen, biete eine Banane an oder warte erstmal ab, was der Reisende von sich aus jetzt tun möchte.

Tripsitting Set Setting


Der Reisende hat seit mehreren Stunden nicht gesprochen und hat einen neutralen Gesichtsausdruck. Er ist ruhig, wirkt konzentriert und starrt auf einen Fleck.
Lass ihn erstmal in Ruhe. Du bist nur ein Anker und der Reisende weiß das. Er wird sich an dich wenden, wenn er dich braucht – wie ihr es vereinbart habt.
Der Reisende möchte allein sein.
“Das ist okay. Nimm dir deine Zeit.” Du kannst einen Ort ausmachen, an dem der Reisende sich aufhält und nach einer Weile nach ihm schauen. Bleibe selbst in der Nähe und sage ihm, wo er dich finden kann.
Der Reisende redet auf dem Höhepunkt der Erfahrung pausenlos, möchte einen Ortswechsel nach dem nächsten, verhält sich hektisch oder lenkt sich anderweitig ab.
Das sind meistens Ausdrücke von Widerstand gegen die Erfahrung. Viele Menschen haben Schwierigkeiten mit dem Loslassen, auch das ist normal. Hilf dem Reisenden dabei, sich zu entspannen und auf den Verlauf der Erfahrung zu vertrauen. “Manchmal muss man durch diese Phasen gehen. Du kannst das.” Gemeinsam atmen, hinlegen, Augen schließen, ruhige Musik ohne Text (vorher den jeweiligen Musikgeschmack absprechen) oder tatsächlich ein Ortswechsel können helfen.

Versuche nicht, den Reisenden anzuregen, z.B. durch eine Erinnerung an seine Intention oder ähnliches. Das passt eher zum Ende einer Erfahrung und sollte auch hier sparsam verwendet werden. Begleiten, nicht leiten.

Wenn explizit um Hilfe beim Loslassen gebeten wird, denke an eine geführte Meditation und hilf dem Reisenden dabei, seinen Aufmerksamkeitsfokus nach innen zu richten: Atmung, Bodyscan, die Geräuschkulisse, die Musik, wie diese auf den Körper wirkt, Gedanken, …

Der Reisende muss sich übergeben und wirkt sichtlich erschöpft.
Im Zweifel schafft der Reisende es ganz allein. Du kannst ihm Wasser bereit stellen und ihn loben. “Du machst das sehr gut.” Gerade beim Upcoming kommt es oft zu Übelkeit, Magenbeschwerden oder sogar Erbrechen. Sorge danach dafür, dass der Reisende sich an einem gemütlichen Ort ausruhen kann.
Du selbst bist unsicher, ob es dem Reisenden gerade gut geht.
Warte erstmal ab und beruhige dich selbst. Strahle keine Nervosität aus. Je mehr du in deiner Mitte bist, desto hilfreicher bist du. Wenn du dir wirklich Sorgen machst, frage vorsichtig aber bestimmt nach: “Möchtest du beschreiben, wo du dich gerade befindest, gedanklich?” Durch eine Entscheidungsfrage lässt du dem Reisenden die Option offen, dein Angebot abzulehnen.

Trip-Nachbereitung

 Das Ende eines Trips ist nicht das Ende einer psychedelischen Erfahrung, denn jetzt folgt die psychedelische Integration. Hier kannst du dich ausführlich dazu belesen.

Ermutige den Reisenden nach dem Abklingen der Wirkung dazu, sich nun auszuruhen. Die Verarbeitung der Erkenntnisse braucht Zeit und ist ebenso individuell wie der Trip selbst.

Deine Ratschläge, die du möglicherweise die ganze Zeit zurückgehalten hast, um nicht in den Prozess einzugreifen, darfst du im Gespräch am nächsten Tag als guter Freund äußern. Eine gemeinsame Interpretation und Analyse der Erfahrung und deine eigene Sichtweise können dem Reisenden extrem dabei helfen, neue Aspekte der Wirklichkeit zu erkennen und durch dich sozusagen einen Perspektivwechsel auf den psychedelischen Perspektivwechsel zu erfahren. Genannt wird dies “Reframing”; also einer Lebenssituation einen neuen Rahmen geben.

Du als Tripsitter kannst den Reisenden auch um Feedback bitten, wie er die Session mit dir wahrgenommen hat und dadurch selbst dazulernen. Biete deine Hilfe an, ihn bei der Verarbeitung der Erkenntnisse zu unterstützen und melde dich vielleicht ein paar Tage später nochmal bei ihm, um psychologische Stabilität zu gewährleisten.

Fazit

 Trips sind höchst individuelle Prozesse, in die so wenig wie möglich eingegriffen werden sollte, außer der Reisende verlangt es. Ein Tripsitter lenkt nicht die Erfahrung des Reisenden – er begleitet sie. Der Verlauf oder Ausgang einer psychedelischen Erfahrung hängt nicht primär vom Eingreifen des Tripsitters ab. Wer den Raum für andere Menschen hält, bietet bedingungslose Unterstützung an, lässt seine eigenen Bedürfnisse los und vertraut auf den Prozess.

Ein Tripsitter nimmt einem Reisenden nicht die Macht weg, eigene Entscheidungen zu treffen, sondern stärkt sie stattdessen. Ungefragt handelt er nur, wenn ernsthafte Gefahr droht, denn er übernimmt die Verantwortung für das Sicherheitsgefühl des Reisenden. Wann genau Führung zurückgehalten und wann sie sanft angeboten wird, zählt zu den Kernkompetenzen eines feinfühligen Tripsitters.

Space Holding ist nichts, das wir über Nacht meistern können oder das in einer Liste von Tipps, wie ich sie gerade angeboten habe, angemessen behandelt werden kann. Es ist eine komplexe Praxis, die sich mit Übung entwickelt, und sie ist für jede Person und jede Situation einzigartig.

Wie hättest du dich in der eingangs beschriebenen Situation im Wald verhalten? Zur Erinnerung: Einem Freund, den du tripsittest, kommen im Wald die Tränen, als das Wetter plötzlich umschlägt und sich Spaziergänger mit Hund nähern. Schreibe uns gerne einen Kommentar, wenn du eine Einschätzung deiner Tripsitter-Intuition haben möchtest.

Wenn du dich noch weiter mit dem Thema Tripsitting beschäftigen willst, schaue einmal hier vorbei: Manual for voyagers and guides des Psychologen Dr. James Fadiman.

  1. Xaver 02.11.2020 at 18:41

    Hallo Isabel,

    danke für deinen Artikel!

    Wie ich mich kenne, würde mir die Spaziergängern mit Hund am ehesten „Sorgen“ machen (Irritationseffekt, wenn anonyme/fremde Menschen an mir vorbeilaufen oder ich an ihnen). Jedoch hat in dem Fall der Reisende größere Priorität, weswegen ich die Spaziergängern und den Hund ignorieren oder nur freundlich grüßen würde…
    Der Reisende wird vermutlich von sich aus entweder beim Weinen weiterlaufen oder stehen bleiben. In beiden Fällen würde ich meinen Fokus bei ihm lassen und Ruhe ausstrahlen, und mich in seine Entscheidungswelt einklinken. Sollte er unbeholfen wirken, wo/wie er seine Gefühle ausleben kann, würde ich mich nach der nächsten Bank oder Sitzgelgenheit umschauen und in die Richtung steuern, wieder abwarten, ob er von sich aus Anstalten macht, sich zu setzen etc. Sollte er weiter unentschlossen wirken, würde ich mich selbst setzen in der Annahme, dass er sich dazusetzt. Dort würde ich den Raum halten für seine Erfahrungen.

    • Isabel Dobner 03.11.2020 at 18:43

      Hey Xaver, das hört sich sehr gut an! Danke für deinen Kommentar. Erst einmal Ruhe in die Situation zu bringen und Raum für die Emotionen des Reisenden zu schaffen, halten wir auch für entscheidend in dieser Situation. Weinen ist okay. Auch auf dem Waldboden.

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