Blaue Strichzeichnung einer meditierenden Person mit einer Lotusblume über dem Kopf.

Ketamintherapie gegen Depressionen

10. April 2025| Lesezeit6,1 min| Lesezeit
Farbenfrohe Illustration zweier Figuren in einer Therapiesitzung, elegant betitelt mit „Ketamintherapie“ im deutschen Text.

Ketamin rückt zunehmend in den Fokus psychiatrischer Forschung – als schneller wirksames Mittel gegen Depressionen und PTBS. Klinische Studien bestätigen eine hohe Wirksamkeit, vor allem bei sonst therapieresistenten Verläufen. Was steckt hinter der Ketamintherapie?

Kurzfassung

Die Ketamintherapie ist ein moderner Behandlungsansatz bei Depression, PTBS und anderen psychischen Erkrankungen. In einem geschützten Rahmen wird eine niedrige Dosis Ketamin verabreicht – meist als Infusion über ca. 40 Minuten, alternativ als Nasenspray oder Kapsel.

Ketamin verändert kurzfristig die Gehirnaktivität und kann festgefahrene Denk- und Gefühlsmuster lösen. Der entstehende Bewusstseinszustand ist oft tranceähnlich und emotional geöffnet – eine gute Basis für therapeutische Arbeit.

Die Behandlung erfolgt unter ärztlicher Aufsicht und wird meist durch Gespräche ergänzt. Für stabile Effekte sind mehrere Sitzungen sinnvoll.

Was ist Ketamin?

Ketamin ist ein Medikament, das ursprünglich als Narkosemittel entwickelt wurde – also zur Betäubung bei Operationen. Es wird seit vielen Jahren in der Notfallmedizin und zur Schmerzbehandlung eingesetzt.

In den letzten Jahren hat man entdeckt, dass Ketamin auch bei psychischen Erkrankungen wie Depression oder PTBS helfen kann. Es beeinflusst bestimmte Botenstoffe im Gehirn und wirkt auf Regionen, die mit Stimmung und Denken zu tun haben.

Wie wirkt Ketamin bei Depressionen?

Im Gegensatz zu klassischen Antidepressiva, die oft Wochen brauchen, um zu wirken, kann Ketamin die Stimmung schon nach wenigen Stunden verbessern. Das liegt daran, dass es im Gehirn auf andere Weise arbeitet: Ketamin blockiert bestimmte Rezeptoren (genannt NMDA-Rezeptoren), die mit dem Botenstoff Glutamat verbunden sind. Dadurch wird die Kommunikation zwischen den Nervenzellen neu angeregt – das kann bei Depressionen helfen, in denen das Gehirn oft wie „festgefahren“ wirkt.

Besonders hilfreich ist Ketamin bei sogenannten therapieresistenten Depressionen – also dann, wenn andere Medikamente wie SSRI (z. B. Citalopram, Sertralin) oder SNRI (z. B. Venlafaxin) nicht ausreichend helfen. Eine Studie der University of Michigan mit schwer depressiven Patienten zeigte: Bereits nach drei Ketamin-Infusionen ging es über der Hälfte deutlich besser. Viele der Teilnehmenden berichteten außerdem, dass ihre Suizidgedanken stark nachließen – ein Effekt, der bei klassischen Antidepressiva oft Wochen dauert oder gar nicht eintritt.

Die Wirkung hält allerdings nicht dauerhaft an. Um die positiven Effekte zu stabilisieren, braucht es in der Regel eine begleitende Therapie und manchmal wiederholte Behandlungen. Trotzdem ist Ketamin für viele Menschen mit schwerer Depression ein neuer Hoffnungsschimmer.

In unserer Podcast-Folge mit Dr. Mario Scheib – einem Pionier auf dem Gebiet der Ketamintherapie – sprechen wir über die Anwendung bei Depressionen, Angst, PTBS und Zwangsstörungen.

Ketamintherapie bei PTBS

Neben Depressionen wird Ketamin auch bei anderen psychischen Erkrankungen untersucht – besonders bei posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS). Dabei handelt es sich um eine Reaktion auf extreme Belastungen wie Unfälle, Missbrauch oder Kriegserlebnisse. Die Betroffenen leiden häufig unter Flashbacks, Albträumen, ständiger Anspannung und Gefühlen von Entfremdung.

Studien zeigen: Ketamin kann auch bei PTBS sehr wirksam sein. Eine Übersichtsstudie aus dem Jahr 2024 hat mehrere klinische Untersuchungen ausgewertet und kommt zu dem Ergebnis, dass Ketamin die Symptome deutlich lindern kann – oft schon nach wenigen Behandlungen. Die Forschenden betonen jedoch, dass die Behandlung idealerweise von Psychotherapie begleitet werden sollte, um langfristige Erfolge zu sichern.

In einer weiteren Pilotstudie wurde eine sechswöchige Behandlung mit niedrig dosiertem, oralem Ketamin untersucht. 73 % der Teilnehmenden zeigten eine starke Besserung ihrer Symptome – viele fühlten sich sogar noch einen Monat nach Ende der Behandlung deutlich stabiler. Das zeigt: Auch neue Formen der Anwendung wie Tabletten oder Kapseln könnten in Zukunft eine Rolle spielen.

Darüber hinaus wird Ketamin derzeit bei weiteren Krankheitsbildern erforscht – etwa bei Angststörungen, chronischen Schmerzen oder sogar Suchterkrankungen. Noch stehen diese Anwendungen am Anfang, aber die bisherigen Ergebnisse machen Hoffnung auf neue Behandlungswege.

Effektivität der Ketamintherapie
Das Ergebnis der Pilotstudie zeigt, dass Symptome von PTBS nach der Ketamintherapie signifikant nachließen.

Risiken der Ketamintherapie

Auch wenn Ketamin bei vielen Menschen mit schweren Depressionen oder PTBS schnell wirkt, ist die Therapie nicht frei von Risiken. Die häufigsten Nebenwirkungen während oder kurz nach der Behandlung sind Schwindel, Übelkeit und ein Gefühl der „Losgelöstheit“ vom eigenen Körper oder der Umgebung. Diese sogenannte dissoziative Wirkung klingt in der Regel nach kurzer Zeit wieder ab, kann aber als unangenehm erlebt werden.

Ein weiterer wichtiger Punkt: Ketamin kann – besonders bei wiederholter, unkontrollierter Einnahme – ein psychisches Abhängigkeitspotenzial haben. Auch wenn das Risiko bei medizinisch begleiteter Anwendung sehr gering ist, sollte die Behandlung immer in einem sicheren, professionellen Rahmen stattfinden. Ein erhöhtes Risiko geht eher dem unbegleiteten Einsatz im privaten oder nicht-medizinischen Kontext aus.

Außerdem ist noch nicht endgültig geklärt, wie sich die langfristige Anwendung von Ketamin auf das Gehirn auswirkt. Langzeitstudien dazu laufen derzeit noch. Aus ärztlicher Sicht ist daher Vorsicht geboten: Die Therapie sollte individuell geprüft und nur von speziell geschultem Fachpersonal durchgeführt werden.

Ketamin ist allerdings nur eine von mehreren Substanzen, die aktuell therapeutisch erforscht werden. Einen Überblick über Chancen und Risiken anderer psychedelischer Therapieoptionen findest du in diesem Artikel.

Rechtliche Lage

In Deutschland ist Ketamin ein zugelassenes Medikament – ursprünglich zur Narkose und Schmerzbehandlung. Das heißt, Ärzte dürfen Ketamin im sogenannten Off-Label-Use auch zur Behandlung von Depressionen oder PTBS einsetzen. Voraussetzung ist, dass andere Therapien nicht ausreichend geholfen haben und der Einsatz gut begründet wird. Die Therapie erfolgt dann meist in spezialisierten Privatkliniken oder ärztlich geführten Praxen.

Eine Besonderheit gibt es beim Wirkstoff Esketamin, einem abgewandelten Teilmolekül von Ketamin. Dieses ist unter dem Handelsnamen Spravato® seit 2019 in der EU speziell zur Behandlung von therapieresistenter Depression zugelassen – allerdings nur als Nasenspray und in Kombination mit einem klassischen Antidepressivum. Spravato darf ausschließlich unter ärztlicher Aufsicht und in zugelassenen Einrichtungen verabreicht werden.

Die Kostenübernahme durch gesetzliche Krankenkassen ist aktuell noch die Ausnahme. Meist müssen Patienten die Ketamintherapie selbst zahlen – außer bei Esketamin, wo unter bestimmten Bedingungen eine Erstattung möglich ist. Private Krankenversicherungen übernehmen die Kosten je nach Vertrag häufiger.

Blau-weiße Nasensprayflasche mit der Aufschrift „Spravato“, mit spitzer Spitze und rundem Boden.

In anderen Ländern wie den USA oder Kanada ist die rechtliche Lage ähnlich, allerdings sind dort bereits deutlich mehr spezialisierte Ketamin-Kliniken etabliert. Auch dort gilt: Die Behandlung ist meist kostenpflichtig und wird selten automatisch von Versicherungen übernommen.

Fazit

Ketamintherapien zählen aktuell zu den spannendsten Entwicklungen in der Behandlung psychischer Erkrankungen. Vor allem bei schweren Depressionen und PTBS, wo herkömmliche Mittel versagen, zeigt Ketamin oft schnelle und tiefgreifende Effekte. Wissenschaftliche Studien belegen nicht nur eine schnelle Besserung der Symptome, sondern auch eine spürbare Reduktion von Suizidgedanken – ein echter Fortschritt in der modernen Psychiatrie.

Trotzdem ist Ketamin kein Allheilmittel. Die Wirkung ist individuell unterschiedlich, Nebenwirkungen sind möglich, und die Therapie gehört in professionelle Hände. Hinzu kommt: Aufgrund der aktuellen rechtlichen Lage und begrenzter ärztlicher Angebote ist es für viele Menschen in Deutschland noch schwer, Zugang zu einer legalen Ketamin-Behandlung zu finden.

Eine legale und professionell begleitete Alternative bietet das SET & SETTING Retreat in den Niederlanden. Dort wird Psilocybin – ebenfalls eine stark erforschte psychedelische Substanz – in einem sicheren Rahmen eingesetzt, begleitet von erfahrenen Guides und ärztlicher Betreuung. Das Retreat richtet sich an Menschen, die auf der Suche nach tiefgreifender innerer Klarheit, emotionaler Heilung oder persönlicher Weiterentwicklung sind – und das in einem rechtlich abgesicherten Umfeld.

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