Blaue Strichzeichnung einer meditierenden Person mit einer Lotusblume über dem Kopf.

LSD gegen Alkoholsucht

31. Januar 2020| Lesezeit4,7 min| Lesezeit
Bunte Silhouette mit psychedelischen Mustern steht vor einer Alkoholflasche hinter einem Verbotsschild; Text hebt Alkoholsucht hervor.

In Deutschland leiden rund 1,4 Millionen Menschen an einer behandlungsbedürftigen Alkoholabhängigkeit – eine enorme Belastung für die Betroffenen und das Gesundheitssystem. Doch bereits ab 1953 wurden in mehreren klinischen Studien erste Hinweise darauf gefunden, dass LSD die Alkoholsucht deutlich reduzieren kann – mit zum Teil überraschend guten Ergebnissen: Bereits eine einzige LSD-Sitzung konnte laut früheren Studien zu monatelanger Abstinenz führen.

Nach dem Verbot von 1966 wurden klinische Studien zu LSD stark eingeschränkt und international weitgehend eingestellt. In den letzten Jahren erlebt die Forschung von Psychedelika jedoch eine Wiederbelebung. Welche Erkenntnisse es heute zu LSD und Alkoholsucht gibt, schauen wir uns im Folgenden an.

LSD vs Alkohol – Entdeckung der Wirkung

Alkoholsucht ist nicht nur weit verbreitet, sondern auch eine der zerstörerischsten Abhängigkeiten überhaupt. Die körperlichen und psychischen Entzugserscheinungen sind oft so massiv, dass es fast unmöglich ist, eine Therapie zu machen. Besonders gefürchtet ist das Delirium tremens – ein Zustand, der von Halluzinationen, Krampfanfällen und intensiver Angst begleitet wird.

Als LSD in den 1950er Jahren erstmals erforscht wurde, fiel zwei kanadischen Psychiatern – Humphry Osmond und Abram Hoffer – eine interessante Parallele auf: Der durch LSD ausgelöste Bewusstseinszustand erinnerte in vielerlei Hinsicht an den „Säuferwahnsinn“. Ihre Hypothese: Wenn der Alkoholentzug Betroffenen die Hölle zeige, könne ein kontrollierter LSD-Trip im sicheren Rahmen eine ähnliche Wirkung entfalten – ohne körperliche Entzugsgefahr. Das Ziel war, mit einer einzigen tiefgreifenden Erfahrung einen Wendepunkt zu schaffen.

Die erste klinische Studie wurde 1953 in Saskatchewan durchgeführt – mit rund 700 Patientinnen und Patienten. Die Ergebnisse waren verblüffend: Über die Hälfte blieb nach nur einer LSD-Sitzung für Monate abstinent. Überraschend dabei: Statt Horrortrips berichteten viele Teilnehmende von tiefgreifenden spirituellen Erlebnissen, dem Gefühl innerer Verbundenheit und einem völlig neuen Blick auf sich selbst.

Damit war ein Paradigmenwechsel eingeläutet. Zum ersten Mal in der modernen Medizin galt nicht allein das Messbare, sondern die subjektive Erfahrung selbst als therapeutisch wirksam. Ein weiterer entscheidender Faktor war das sogenannte „Set & Setting“: Je angenehmer die Umgebung, desto positiver der Effekt. Die frühen LSD-Therapien in kargen Klinikzimmern mit Ärzten im weißen Kittel wichen bald wohnlichen Räumen mit Pflanzen, Musik und empathischer Begleitung.

Bis Ende der 1950er galt LSD in Nordamerika als vielversprechende Therapie gegen Alkoholabhängigkeit. Ganze Klinikstationen wurden darauf spezialisiert, und Tausende Patientinnen und Patienten profitierten von der Methode. Doch mit der gesellschaftlichen Stigmatisierung psychedelischer Substanzen in den 60er Jahren endete diese Entwicklung abrupt. LSD wurde verboten – und mit ihm auch ein vielversprechender Therapieansatz.

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Abram Hoffer und Humphry Osmond

Die Studienlage: LSD gegen Alkoholsucht

Bereits in den 1950er- und 1960er-Jahren wurde LSD experimentell bei Alkoholsucht eingesetzt – mit erstaunlichen Resultaten. Eine Meta-Analyse von Krebs & Johansen (2012) untersuchte sechs placebokontrollierte Studien aus dieser Zeit mit insgesamt 536 Patienten. Das Ergebnis: Bereits eine einzige LSD-Dosis (200–800 µg) führte bei 59 % der Patienten zu einer deutlichen Verbesserung – verglichen mit nur 38 % in den Kontrollgruppen.

Die sogenannte „Number Needed to Treat“ betrug dabei etwa 6 – ein Wert, der in der Suchttherapie bemerkenswert gut ist. Das bedeutet: Wenn sechs Menschen mit LSD behandelt wurden, konnte bei einer Person ein Rückfall verhindert werden, der ohne die Behandlung vermutlich passiert wäre. In der Medizin spricht man in solchen Fällen von der „Number Needed to Treat“ – je kleiner diese Zahl, desto wirksamer die Therapie. Die Wirkung war in den ersten 2–6 Monaten nach der Sitzung am deutlichsten. Nach einem Jahr glichen sich die Ergebnisse allerdings häufig wieder an – was darauf hindeutet, dass eine einmalige Behandlung zwar effektiv, aber nicht unbedingt dauerhaft wirksam ist.

Die historischen Studien wurden teilweise kritisch betrachtet, erfüllten jedoch für ihre Zeit erstaunlich hohe methodische Standards: Viele waren randomisiert, einige sogar doppelblind. Die Probanden wurden mit aktiven Placebos wie niedrig dosiertem LSD oder Amphetamin verglichen. Trotz kleiner Fallzahlen zeigen sie eine bemerkenswerte Konsistenz in den Ergebnissen.

In den folgenden Jahrzehnten stagnierte die Forschung – bis heute gibt es keine modernen, randomisierten Studien zu LSD speziell bei Alkoholabhängigkeit. Dafür liefern neue Studien mit verwandten Substanzen wie Psilocybin deutliche Hinweise: Auch hier wurden signifikante Rückgänge des Trinkverhaltens beobachtet. Eine Übersichtsarbeit von Fuentes et al. (2020) kommt zu dem Schluss: Von allen psychischen Erkrankungen, bei denen LSD bisher wissenschaftlich untersucht wurde, wirkt es ausgerechnet bei Alkoholabhängigkeit wohl am effektivsten.

Fazit: Die historische Studienlage ist überraschend robust – und neuere Forschung mit verwandten Substanzen stützt die alten Ergebnisse. Was fehlt, sind aktuelle, methodisch moderne Studien mit LSD selbst. Es gibt also ein starkes wissenschaftliches Fundament – und eine große Forschungslücke.

Fazit: Wird LSD Medizin in der Zukunft?

Viele Patienten berichten nach einer LSD-Sitzung von tiefen Gefühlen der Verbundenheit und Sinnhaftigkeit. Diese Erfahrungen ähneln klassischen, spontanen spirituellen Erlebnissen – und scheinen eine zentrale Rolle für die langfristige Verhaltensänderung zu spielen.

Auch Bill Wilson, Mitbegründer der Anonymen Alkoholiker, erkannte dieses Potenzial: Er beschrieb LSD als ein Mittel, das Menschen vorübergehend ihr Ego nehmen kann – und so den Weg für echte Veränderung öffnet. Studien zeigen: Je intensiver die mystische Erfahrung, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Betroffenen dauerhaft mit dem Trinken aufhören.

Wir können gespannt bleiben, denn in der Schweiz steht mit der LYSTA-Studie (LSD Treatment for Persons With Alcohol Use Disorder) eine moderne, randomisierte Phase-II-Studie in den Startlöchern. Dabei sollen rund 128 alkoholabhängige Personen mit LSD oder einem aktiven Placebo behandelt werden – erstmals nach heutigen wissenschaftlichen Standards. Diese Studie könnte entscheidende neue Erkenntnisse liefern und den Weg für einen evidenzbasierten Einsatz von LSD in der Suchtmedizin ebnen.

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