Psychedelika gegen Alkoholsucht (Studien, Geschichte, Ausblick)
Psychedelika als Wunderwaffe gegen Alkoholsucht
Der “Säuferwahnsinn” (Delirium tremens) tritt ein, wenn Alkoholabhängige aufhören, Alkohol zu trinken, also die Entzugserscheinungen. Diese sind oft so stark und angsteinflößend, dass Betroffene für immer davon ablassen.
Als LSD in den 50ern ganz frisch auf den Markt kam, zogen zwei findige Forscher den Schluss, dass sich der Alkoholwahnsinn bemerkenswert viele Parallelen zum “LSD-Wahnsinn” hatte.
Das war der Beginn der LSD-assistierten Psychotherapie gegen Alkoholismus. Was folgte waren zahlreiche Studien mit Tausenden von Patienten – mit unglaublichen Ergebnissen.
In diesem Artikel möchte ich dir diese Ergebnisse sowie die Geschichte der Praxis bis heute vorstellen.
Artikel als Video:
LSD – aber wofür ist es gut?
Nachdem Sandoz (Hersteller von LSD) 1949 anfing, LSD weltweit an interessierte Forscher und Institutionen verschickte, wurde schnell klar, dass die Substanz großes Potenzial beherbergt. Es war aber nicht ganz klar, für was? Die Effekte schienen eine Art temporäre Psychose in Menschen auszulösen, genauer gesagt schizophrene Gedanken – sie schienen den Verstand zu verlieren.
Selbst die CIA erhoffte sich eine neue Wunderwaffe, um Menschen gefügiger und gehorsamer zu machen und das letzte bisschen Wahrheit aus ihnen rauszuquetschen (was letztendlich ein totaler Misserfolg war).
Es gab jedoch noch viele andere Ideen zu Einsatz und Nutzen von LSD. Zwei der Forscher, Humphry Osmond und Abram Hoffer, stellten 1953 die Hypothese auf, dass eine Kontrollierte LSD-Session Alkoholikern helfen kann, nüchtern zu bleiben.
Die erste Studie
Die Idee hinter der Praxis war, dass der LSD-induzierte “Wahnsinn” den Patienten (wie der echte Säuferwahnsinn) das Tor zur Hölle zeigen sollte und sie dann für immer vom Alkohol ablassen werden.
Abram Hoffer und Humphry Osmond
Die erste Welle an Patienten (insgesamt waren es 700!) zeigten bemerkenswerte Veränderungen in ihrem Verhalten. Die Behandlung funktionierte bei über 50% der Freiwilligen und sie blieben danach monatelang abstinent. Aber entgegen der Erwartungen hatten diese Teilnehmer keinen “Horrortrip”, sondern beschrieben “übersinnliche Wahrnehmungen und das Gefühl, mit der Welt vereint zu sein”.
Ein wichtiger Faktor, den die Forscher erkannten, war, dass nicht LSD der Schlüssel zum Erfolg der Therapie war, sondern die Erfahrung selbst. Das war ein entscheidender Paradigmenwechsel der damaligen Verhaltensforschung in Menschen. Bisher galt nämlich, dass nur “zählt, was messbar und beobachtbar ist”, nicht etwa subjektive Erfahrungen beim Patienten.
Weiterhin beobachteten Osmond und Hoffer, dass Patienten viel positiver auf die Behandlung reagierten, wenn der Raum in dem sie das LSD verabreicht bekamen, eine angenehme Atmosphäre hatte. Vorher wurden die Therapiesitzungen in weißen Räumen mit Personen mit weißen Kitteln durchgeführt.
Der Aufstieg und Fall des LSD
Die Ergebnisse waren zu gut um wahr zu sein, zum Ende der 50er galt LSD als Wunderdroge für Alkoholsucht in Nordamerika. In diesem Video findest du ein Interview mit einem der Patienten, Monate nach der Behandlung: YouTube
Al Hubbard, Unternehmer und Befürworter von LSD, setzte für die Verbreitung der Behandlungsmethode ein. In Vancouver wurde ein ganzer Krankenhausflügel nur für LSD gegen Alkoholismus eröffnet. Wenig später folgten zwei weitere Einrichtungen in Kanada, welche beeindruckende Erfolgsraten erzielten.
Es wurde klar, dass mit dieser Behandlungsmethode echtes Geld gemacht werden konnte. Pro Behandlungssitzung wurden oft über 500 Dollar verlangt, was bei der Erfolgsrate gerechtfertigt schien. Hubbard gefiel das aber überhaupt nicht, seiner Ansicht ist es unethisch, für LSD Geld zu verlangen.
Als LSD 1966 in den USA verboten wurde (und bald auch auf der ganzen Welt) wurde nicht nur Freizeitgebrauch, sondern jeglicher medizinischer Gebrauch der Substanz untersagt. Dieser radikale Schritt schien für viele nicht nachvollziehbar, wo die therapeutischen Erfolgsraten von LSD doch so unglaublich gut waren.
Die Renaissance
Der Schleier wurde 2012 in Norwegen gelüftet und die erste wissenschaftliche (Meta-)Studie seit 1976 (im Maryland Psychiatric Research Center wurde mit Psilocybin weiter geforscht).
Die sechs methodisch-genauesten Studien (u.A. mit einer Kontrollgruppe) aus damaliger Zeit wurden umfassend untersucht. Patienten wurden zwischen 210 und 800 Mikrogramm verabreicht. 59% zeigten eine verringerte Abhängigkeit zu Alkohol, auch noch 6 Monate nach der Therapie (zum Vergleich: bei der Kontrollgruppe waren es 38%). Das Ergebnis: ein “signifikant heilsamer Effekt gegen Alkoholmissbrauch” von einer einzelnen LSD-Dosis und “es ist rätselhaft warum dieses Behandlungsverfahren übersehen wurde”.
Drei Jahre später folgte eine Pilotstudie aus den USA, bei denen 10 Alkoholkranke eine motivationsfördernde Therapie (spezielle Therapieform gegen Süchte) unter dem Einfluss von Psilocybin, einer Substanz mit einem sehr ähnlichen Wirkungsspektrum zu LSD, durchliefen. Auch hier gab es wieder (vor allem verglichen mit der Kontrollgruppe) bemerkenswerte Ergebnisse, was die Phase-2-Studie in den Weg leitete. Diese wird aktuell (2020) mit 180 Testpersonen in New York durchgeführt und soll den Weg zur Legalisierung von Psychedelika-Therapie gegen Alkoholerkrankungen ebnen.
Fazit
Forscher beschreiben gerne, dass Alkoholsucht eine spirituelle Störung sei, denn das Leben verliert jeglichen Sinn, durch die Unfähigkeit, Verbindungen zu etwas anderem als Alkohol aufzubauen.
Psychedelische Substanzen wie LSD und Psilocybin scheinen der Stern am Himmel gegen diese Art von Störungen zu sein. Patienten berichten von Visionen der Verbundenheit mit allen Menschen und Dingen. Es scheint, als ob sie ermöglichen, das zu verbinden, auf was im normalen Alltagsbewusstsein nicht zugegriffen werden kann.
Alle Studien zum Thema sind sich einig: eine LSD- oder Psilocybin-assistierte Psychotherapie (bei richtigen Set & Setting) ist der vielversprechendste Weg, Menschen von selbstzerstörerischen Krankheiten wie dem Alkoholismus zu befreien.
Wenn du Fragen zu diesem Thema hast und unsere professionelle Hilfe in Anspruch nehmen möchtest, bewirb dich hier gerne für ein kostenloses Beratungsgespräch.
Mit neuen Studien auf dem Weg und dem Wandel der Bewusstseinskultur im 21. Jahrhundert, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis wir vom “Symptome-Bekämpfen” auf “Ursachen-Beseitigen” umsteigen können.